Der OBFC in Cremona

Im Mai 2023 traf sich die internationale Gemeinde der Veteranenradliebhaber, die IVCA, zum ersten Mal in Italien. 42 Jahre hat es gedauert, bis sich das realisieren ließ. Schauplatz war die Stadt Cremona östlich von Mailand in der Po-Ebene. Sie wurde berühmt durch ihre Geigenmacher, vor allem durch Antonio Stradivari (1648-1737) und die Familie Amati, die ab 1520 den Ruhm der Stadt als Zentrum der Violine begründete.

In der Nähe des großen Flusses, des Po, war zu Mussolinis Zeiten ein gewaltiges Veranstaltungsgebäude errichtet worden, die „Colonie padane“, um Familien mit Kindern Urlaube zu ermöglichen. Dieses Gebäude wurde in die Organisation des Anlasses einbezogen. Da war viel Platz. Oben im ersten Stock tafelten wir des Abends, und an einem Abend waren wir 320 Personen. Der Campingplatz lag gleich 100 Meter daneben und war preisgünstig: Für einen Campingbus zahlte man einen Franken pro Stunde, das Zelt kostete fünf Franken.

Die Schweizer Delegation war beachtlich groß. Von unserem Verein waren François und sein Sohn Jerôme von zu Hause mit dem Tandem über Bergün, Maloja, Chiavenna, Lecco und Bergamo angereist, begleitet von Manfred; und auch Dani, Wali und Tobias stießen zu ihnen.

 

Total nahmen 23 Schweizer teil!

Da trafen sich also alte Freunde, und man fühlte sich wie im Himmel. Tony Huntington und seine Frau Elsie waren zugegen, der Kanadier Glen Norcliffe und so viele andere gute Bekannte … Gleich wusste man, dass der erste Tag, der Donnerstag (17. Mai), ein schöner sonniger Tag sein würde. Die Radfahrer unternahmen eine 35-Kilometer-Tour, die auf einer der Dämme in der Nähe zum Fluss begann, an denen rot die Mohnblumen leuchteten. Es ging durch verschlafene Dörfer in der Nähe des Stroms wie Stagno Lombardo und Gerre di Caprioli. Hat Spaß gemacht, aber zu trinken gab’s nichts, und zu essen auch nichts, doch Radfahrer sind genügsam, und nach der Rückkehr wartete das Mittagessen auf uns.

Durch diese Dörfer führte auch der Rundkurs für das 100-Meilen-Rennen am Freitag, für den Regen angesagt war, und gleich am Morgen fing es zu nieseln an. Nur 12 Fahrerinnen und Fahrer hatten Lust, das „Century“ zu fahren, und sie verringerte sich beträchtlich, da weit und breit kein Tisch mit Verpflegung zu sehen war; erst um 12 Uhr kam das Mittagessen. Italiener fahren vielleicht nicht so viele Kilometer oder leben von Luft und Liebe. Und manchmal sind sie einfach sorglos und nicht richtig organisiert.

Während ein paar Gestalten im Regen durch die Dörfer fuhren, unternahm die Mehrheit organisierte Ausflüge in die Stadt ins Ortsmuseum, Museo Civico Ala Ponzon wo nebst viel alter Kunst extra für uns eine originale Laufmaschine gezeigt wurde und natürlich auch ins Geigenmuseum und in den Dom. Am Samstag ging es mit dem Bus (wegen Regens) in das Fahrradmuseum Soresina von Alfredo Azzini, einem begüterten Kaufmann, der spät im Leben das Fahrrad entdeckte und das Cremona-Spektakel leitete sowie als Mäzen fungierte. Ohne ihn hätte Cremona nicht stattfinden können. In seinem Team wirkten auch seine Tochter und die Frau mit, und die jungen Leute waren alle gut gelaunt, hilfsbereit und der Sache hingegeben.

Wie stets war der Höhepunkt der Abend. Manchmal spielte eine Band, es war laut und es wurde viel getanzt, zu essen gab es immer reichlich, Pasta und Gnocchi, gute Nachspeisen und edle Weine. Man geht an den Tischen vorbei, um sich etwas abzuholen, und überall lächeln sie dich an! Wer neu dabei ist, findet schnell Freunde. Das Fahrrad bringt alle zusammen. Und wie getanzt wurde! Auch Ältere (das heißt: 80-Jährige) tobten sich aus. Radfahrer sind körperbewusst.

Am Samstagabend mussten sich die meisten schon verabschieden, und das war traurig wie jedes Jahr. Bevor alles zu Ende ging, verschenkten die Mitarbeiter Dutzende Flaschen Primitivo aus Apulien, einen hervorragenden Wein: eine „Geste“ des Veranstalters, sollte Azzini am nächsten Tag sagen, als nur noch ein Häuflein beim Mittagessen war und die Vereinsflagge an die Slowaken weitergereicht wurde, die 2024 nach Ostrava einladen.

Italiener sind herzlich, temperamentvoll und freigebig, und so denken wir gern an Cremona zurück. Der Regen an den beiden Tagen war nicht aggressiv (wie Wochen zuvor in der Emilia-Romagna); er fiel gemächlich und eher nieselnd. Radfahrer müssen auch mit dem Regen leben, und ein paar Tropfen, auch zwei Tage mit Tropfen können das Lächeln von unseren Gesichtern nicht vertreiben.            (Text: Alfred Poser, Bilder Armin Lindegger)