Velosammler unterwegs in Moskau an der 36. IVCA-Rally

Ein Rückblick auf Ereignisse des vergangenen Vereinsjahres lohnt sich immer. Insbesondere dann, wenn Erlebtes unvergesslich bleibt, wenn Erlebnisse vorgefasste Urteile eliminieren. Mit der Reise zur 36. IVCA-Rally nach Moskau (International Veteran Cycle Association) hatte sich die Leitung des Velomuseums Rehetobel für die Tage vom 20. – 29. Mai 2016 einiges vorgenommen, Erfahrungen gesammelt, sowohl in kultureller als auch in fachtechnischer Hinsicht. So ist der Blick zurück auch heute noch ein Muss und interessant für all jene, die nicht dabei waren. Auf die Reise machten sich François Cauderay, Daniel Bartholdi, Peter Brunner und, aus dem luzernischen Wikon, Armin Lindegger.

Das Sprichwort: „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben“ wurde währen der Reise korrekt umgesetzt, begann bereits auf dem Flugplatz in Zürich, als der Flughafenangestellte zum Gepäck der Moskaureisenden feststellte, dass es zu gross sei. Und dies trotz mehrfachen Abklärens. Verhandeln, Umpacken, das Hochrad war definitiv zu gross. Ein Zeichen dafür, dass Airlines nicht gerüstet sind für solche Altertümer. Die Erlebnisse im administrativen Bereich fanden in Moskau ihre Fortsetzung. Nach dem Scannen der Gepäckstücke wurde festgestellt, dass die Velos nicht eingeführt werden dürfen. Es folgt ein 6-faches Ausfüllen der Deklaration, lange Diskussionen mit höheren Dienststellen, das Versehen vieler Papiere mit etlichen Stempeln und nach drei Stunden reiste das Team in der russischen Metropole mit zwei Velos ein.

Die Ankunft im Hotel Cosmos war das Eine, der Zimmerbezug das andere. Auch dort ging es mit der falschen Reservation nicht ohne weiteres „Palaver“ ab. Am späten Abend traf auch der am Flughafen vermisste Koffer vom Hotel Hilton ein. Die ersten Tage in der russischen Hauptstadt führten die Weltenbummler aus der Schweiz zu allen wichtigen historischen Stätten, kulturelle wie auch politische, so auch zum Leninmausoleum. Zeichen setzte die Reiseleiterin Julia, über sie war nur Gutes zu erfahren.

Die Ausfahrt mit brenzligen Situationen
Am Donnerstag, nach einer Woche Aufenthalt in Moskau, begann der offizielle Teil der Mission in der russischen Hauptstadt. Bereits um sechs Uhr morgens besammelten sich die Teilnehmenden für die Century-Rundfahrt zur Erkundung der Strecke, da diese nicht signalisiert war. Im „Park der Völkerverständigung“ (VDNKh Ausstellungspark) fand die Fahrt statt. Während Peter und François sich unter die applaudierenden Zuschauer mischten, beteiligte sich Daniel Bartholdi mit dem Velo von Peter Brunner am Rennen. Er traute der russischen Maschine, die ihm zur Verfügung gestellt wurde, nicht so richtig. Und schlussendlich waren nicht 100 Meilen zu fahren, sondern rund ein halbes hundert Kilometer. Die Strecke wurde im letzten Moment noch angepasst, der Abbruch der Fahrt wurde durch das Fussgängeraufkommen auf der Wegstrecke forciert und letztlich realisiert. 70 Kilometer schaffte der Beste und schnellste. Wie zu erfahren war, soll es zwischen Radlern und Fussgängern innerhalb des Parks zu brenzligen Situationen gekommen sein.

Silber für Daniel
Der geplante Tagesablauf beinhaltete stets die Besichtigung wichtiger Stätten, eindrucksvoller Bauten, deren Dächer mit Gold verziert sind und die Gebäude in unseren Breiten als recht bieder erscheinen lassen. Doch die Hintergründe dieses Bauens sind ja bekannt. Der Freitag, der Tag auf der Rennbahn wurde zum Erfolgserlebnis für Daniel. Auf der 400-Meter-Rundbahn gingen die Rennen in sieben Kategorien über die Bühne. „Ich hatte eine russische Maschine erhalten, da stimmte nicht viel daran“, bewertete Daniel sein Velo. Da widersprach François heftig: „Halt, halt, Vizeweltmeister wurdest Du auf diesem russischen Göppel.“ Tatsachlich, Dani musste sogar ein Ausscheidungsrennen fahren und erreichte hinter dem Schweizer Urs Arnold Kuchera den zweiten Platz.

Die Jahreshauptversammlung
Mit der Jahreshauptversammlung anlässlich des 36. Rallys in Moskau vom Freitag, 27. Mai 2016 waren die Anwesenden aus aller Herren Länder beim (administrativen) Höhepunkt der Veranstaltung angelangt. 33 Mitglieder erlebten im Hotel Cosmos die Begrüssung durch Präsident Glen Norcliffe (Kanada). Als offizieller Vertreter der Schweiz war Urs Hänggi anwesend. Ein Protokoll wurde genehmig und Berichte abgegeben über diverse Neuerungen auf der Internetseite der Vereinigung und über das gute Funktionieren des Facebooks informiert. Nach dem Rotationsprinzip ist Dirk Van Luchem (Belgien) der Präsident für die kommenden zwei Jahre.

Der Kassastand der IVCA
In seinem Kassabericht erinnerte Kassier Sascha Kaltwasser (Deutschland) daran, dass das Vereinsvermögen auf einem Stand angelangt sei, das dringend zusätzlicher finanzieller Mittel bedürfe. Aus der Sicht von François Cauderay krankt im IVCA das System an den fehlenden und verpflichtenden Beitragszahlungen der Mitglieder. Es sollte auch möglich sein, dass Landesverbände, die das Jahresrally organisieren, ihre Auslagen durch den Dachverband vorfinanziert oder finanziert bekommen, sagt der Rechtobler-Velofan. Seiner Ansicht nach ist das gesamte finanzielle Konzept der Vereinigung zu überprüfen. Im Zusammenhang mit den Finanzen wurde auch betont, dass das Journal nur in Dateiform per E-Mail versendet werde und, aus finanziellen Gründen, nicht gedruckt.

Die nächsten Durchführungsorte
Sascha Kaltwasser präsentierte Karlsruhe als Austragungsort der 37. IVCA-Rally. Farmi Saimima warb das Rally für 2018, welches in Ubud und Denpassar auf Bali/Indonesien stattfinden wird. Im Jahr 2019 findet der Anlass in Yorkshire in England statt, 2020 in Oostende in Belgien, 2021 hat Japan für sich reserviert (100 Jahre Shimano). Der Durchführungsort für das Jahr 2022 ist noch frei und 2023 möchten Jan Fulik und Jindrich Spacek den Anlass nach 30 Jahren wieder in Zbraslav, Tschechische Republik, durchführen.

Mit der Kalaschnikow auf dem Rücken
Bei der samstäglichen Ausfahrt gab‘s dann wieder einiges zu erleben. Das mehrfache, unfreiwillige Verlassen des Rades war das eine. Die positiven Seiten waren die Begleitung durch die Medien, der Auftritt mit viel PR. Auch für François Cauderay kam die Gelegenheit, bei einem Fernsehinterview in deutscher Sprache Red‘ und Antwort zu stehen über die Gründe seiner Anwesenheit in Moskau und seinem Verhältnis zu den Velos. Dass der „Zweiradformation“ auf ihrer Rundfahrt der attraktive Aspekt nicht fehlte, belegte die Tatsache, dass sich auch Anwohner Moskaus mit ihren Velos einfanden und sich an der Fahrt beteiligten. So auch ein russischer Soldat mit der Kalaschnikow auf dem Rücken und fahrend auf einem Schweizer Armeevelo. „Wir haben uns gut verstanden“, versicherte François Cauderay obwohl Verständigungsprobleme vorhanden waren. Er habe ihm dann noch ein Abzeichen aus der Schweiz geschenkt. Velocipedianische Völkerverständigung. Mit dem obligaten Gruppenfoto und einem fröhlichen Picknick ging die Ausfahrt zu Ende. Im Zusammenhang mit der Ausfahrt wurden das originellste Tenü, die schönste Familie, das originalste Velo, das schönste Kind, das schönste Niederrad und das schönste Mädchen ausgezeichnet.

Das Finale und die Bilanz
Doch das Finale der 36. IVCA-Rally bildete das Galadinner am Samstagabend. Stichwortartig: Dinner mit Büchsenbier, Vodka und Tee, laute Rockmusik, viel Gerede und zahlreiche Ehrungen. Zur Siegerehrung konnte auch Daniel Bartholdi auf die Bühne zur Entgegennahme seiner Wettkampftrophäe. Die Bilanz der Reise und dem Aufenthalt in Moskau fiel positiv aus. Es sind hauptsächlich die in einem anderen Kulturkreis gemachten Erfahrungen und der Umstand sich mit dem Fahrrad in der zweitgrössten Stadt Europas zu bewegen, die beeindruckten und überraschten. (Text: Fritz Heinze, Bilder: Armin Lindegger)